Häufige Fragen und Antworten zu DC-Anlagen

  • F1 - Welche Aussagen beinhaltet die 2. Ausgabe der DGUV-I 203-077 im Hinblick auf DC-Anlagen?

    Gleichstrom-Anwendungen (DC-Anwendungen) nehmen immer mehr zu. Hier sind u. a. die Photovoltaik-Anlagen, unterbrechungsfreie Stromversorgungen (USV-Anlagen), Batteriespeicher und auch die Elektromobilität zu nennen. Es ist also notwendig, den DC-Bereich in Bezug auf den Störlichtbogenschutz und die Auswahl der Persönlichen Schutzausrüstung gegen die thermischen Auswirkungen eines Störlichtbogens (PSAgS-Auswahl) zu betrachten.

    In der ersten Ausgabe der DGUV-I 203-077 (10/2012) war kein Beispiel für DC-Anlagen enthalten. Hier gab es nur den Hinweis auf ausstehende Forschungsarbeiten und die Aussage, dass das Berechnungs- und Auswahlverfahren im Prinzip analog zum AC-Bereich auch für DC-Störlichtbögen anwendbar ist. Inzwischen sind Forschungsarbeiten zu DC-Störlichtbögen durchgeführt worden. Auf dieser Grundlage ist jetzt ein separates Verfahren für DC-Anlagen beschrieben (Abschnitt 4.3). Es ist ein iterativer Ansatz entstanden, der unterstützt wird durch ein Excel-Tool (Abschnitt 5), das kostenfrei aus dem Internet heruntergeladen werden kann.

    PSAgS, die für den Einsatz in DC-Systemen vorgesehen ist, muss im Boxprüfverfahren nach DIN EN 61482-1-2 geprüft und entsprechend den Anforderungen der zutreffenden Produktnormen) zertifiziert sein (Anhang A 2). Die Prüf- und Schutzpegel werden in Analogie zum AC-Verfahren bestimmt (Anhang A 3). Dies ist durch umfangreiche Forschungsarbeiten belegt.

  • F2- Welche DC-Anwendungen gibt es in der Praxis?

    Die Anwendung und Nutzung von Gleichstrom (DC) nimmt ständig zu. Im Niederspannungsbereich (bis 1500 V DC) gibt es eine sehr breite Palette unterschiedlichster Anwendungsgebiete. Die Nennspannungen der Anlagen und Systeme variieren dabei in weiten Grenzen.

    DC-Anwendungen im Niederspannungsbereich sind: geregelte Gleichstromantriebe, Bahnstromversorgungen bei Straßenbahnen (500…1200 V, häufig 750 V), Stationsbatterien im Eigenbedarf von Kraftwerken und Umspannwerken, Steuerspannungsversorgungen (bis zu 110/220 V), Batterien in Speicherkraftwerken (von kleinen Hausanlagen bis zu Großspeichern), Batterieanlagen für Kleinfahrzeuge und Bordnetze (Akkumulatoren z. B. von Gabelstaplern 110 V), DC-Zwischenkreise bei drehzahlvariablen Antrieben, DC-Hausnetze (+/-110…220 V, z. Zt. noch Konzeptphase), DC-Verteilungen in Rechenzentren (400 V, Zwischenkreise der konventionellen PC-Netzteile und USV-Batterieanlagen), Elektromobilität (Hochvolt-Bordnetze zur Energieversorgung für Antrieb und Klimaanlage, bis 400…800 V), Photovoltaik-Anlagen (Strangspannungen bis 1000 V). Im Zusammenhang mit der Elektromobilität sind Ladestationen, v.a. sogenannte Schnellladestationen (HPC – High Power Charging) mit bis zu 920 V konzipiert. Für DC-Industrienetze sind Spannungen von bis zu 800 V vorgesehen.

    Den Bereich der konventionellen KFZ-Batterien und PKW-Bordnetze (12/24 V, 48 V) kann man für die PSAgS-Auswahl praktisch ausklammern, da sich unter diesen Spannungsbedingungen keine stabilen Störlichtbögen mit gefährlichen thermischen Wirkungen ausbilden.

  • F3 - Welcher Anwendungsbereich besteht für das DC-Verfahren?

    Das Verfahren für die Berechnung bei Gleichstrom-Anwendungen (DC) ist auf Niederspannungs-Gleichstromanlagen (LVDC) ausgerichtet und bezieht sich damit auf DC-Systeme mit Nennspannungen bis 1500 V.

    Der Algorithmus (Abschnitt 4.3) gilt vorrangig für Gleichstromkreise, in denen die Kurzschlussdauer deutlich größer als die Zeitkonstante ist, so dass sich quasistationäre Kurzschlussverhältnisse einstellen können. Die Berechnungsgrundlagen decken prinzipiell auch die Fälle geringer Kurzschlussdauer bei vergleichsweise großer Zeitkonstante ab; die Ergebnisse beinhalten dann jedoch u. U. größere Sicherheitsreserven.

  • F4 - Welche Kennwerte sind für das DC-Verfahren erforderlich?

    Das Berechnungsverfahren für Gleichstromanwendungen (DC) benötigt nur wenige Kennwerte, die die Arbeitsumgebung und Arbeitsbedingungen an der betreffenden DC-Anlage kennzeichnen (Abschnitt 4.3). Das sind einerseits die elektrischen Parameter Nennspannung des DC-Systems (Netzes), ohmscher Gesamtwiderstand des Kurzschlussstromkreises, Induktivität bzw. Zeitkonstante des DC-Kreises und Kurzschlussleistung bzw. Dauerkurzschlussstrom an der Fehlerstelle. Der ohmsche Widerstand des DC-Systems setzt sich aus dem Innenwiderstand der DC-Quelle (Gleichrichter mit vorgeordnetem AC-Netz, Wechsel- bzw. Umrichter, Batterie, Gleichstrommaschine), den Leitungswiderständen und dem Widerstand weiterer Elemente des DC-Kreises (z.B. Drosseln) zusammen. Der Dauerkurzschlussstrom ist der stationäre Wert des Kurzschlussgleichstroms bei metallischem Kurzschluss an der Fehlerstelle. Bei Gleichrichter gespeisten DC-Systemen ist es der arithmetische Mittelwert dieses Stroms nach Abklingen des Ausgleichsvorgangs. Andererseits werden die Anlagen- und Schutzparameter Elektrodenabstand an der Fehlerstelle und Ausschaltzeit des vorgeordneten Überstromschutzes (Kurzschlussdauer) benötigt.

  • F5 - Worauf beruhen die Berechnung und der iterative Ansatz für DC-Störlichtbögen?

    Ausgangspunkte der Berechnung sind die Strom-Spannungsverhältnisse im Gleichstromkreis und die Strom-Spannungs-Charakteristik des Gleichstrom-Störlichtbogens (DC-Störlichtbogens). Der Kurzschlussstromkreis ist durch die Leerlauf- bzw. Nennspannung der DC-Quelle UNn, den ohmschen Gesamtwiderstand RN und die Ersatzinduktivität L des DC-Kreises gekennzeichnet (Ersatzzweipol). Bei metallischem Kurzschluss der Zweipolklemmen fließt der metallische Kurzschlussstrom IkDC =UNn/RN. Bei einem Lichtbogenkurzschluss tritt an die Stelle der widerstandslosen Kurzschlussverbindung bzw. –brücke der nichtlineare Widerstand des DC-Störlichtbogens rLB = uLB/ikLB.

    Nichtlineare Zusammenhänge lassen sich nur auf der Basis von Momentanwerten beschreiben. Man kann jedoch davon ausgehen, dass sich nach der Zündung des Störlichtbogens ein quasistationärer Zustand mit stabil brennendem Lichtbogen einstellt, der einen Arbeitspunkt des Stromkreises darstellt. Lichtbogenstrom ikLB (t) und Lichtbogenspannung uLB (t) sind zwar prinzipiell schnellen stochastischen Änderungen unterworfen. Bei stabilem Lichtbogen schwanken die Momentanwerte jedoch um den Arbeitspunkt, der den Mittelwerten von Lichtbogenstrom und Lichtbogenspannung entspricht. Die Schwankungen resultieren zum Teil aus Änderungen der Lichtbogenlänge, so dass der Arbeitspunkt auch eine mittlere Länge der Lichtbogensäule charakterisiert.

    Für sich einstellende Arbeitspunkte ist eine Linearisierung des Stromkreises möglich. Auf der Grundlage einer Mittelwertbetrachtung (arithmetische Mittelwerte von Strom IkLB und Spannung ULB im Arbeitspunkt) lässt sich die lineare Stromkreisgleichung UNn = IkLB . RN + ULB (IkLB) = IkLB (RN + RLB) für die Berechnung der Strom-Spannungs-Leistungs-Beziehungen des betreffenden Ersatzstromkreises verwenden. Die Mittelwerte von Lichtbogenstrom und Lichtbogenspannung sind als Kennwerte des Arbeitspunktes nicht unabhängig voneinander, sondern stehen in einem festen wechselseitigen Zusammenhang.

    Für einen bestimmten Elektrodenabstand stellt sich unter konkreten Stromkreisbedingungen (Leerlaufspannung und Kurzschlussstrom bzw. Vorwiderstand) genau ein Wertepaar aus Lichtbogenspannung und Lichtbogenstrom ein. Der generelle physikalische Grundzusammenhang zwischen Lichtbogenspannung, Lichtbogenstrom und Lichtbogenlänge (Elektrodenabstand) wird als Strom-Spannungs-Charakteristik eines Lichtbogens bezeichnet.

    Durch umfangreiche Labormessungen ist bestätigt worden, dass die DC-Lichtbogencharakteristik durch die Gleichung ULB = (34 + 0,532·d) · IkLB0,12 (ULB in V, IkLB in A , d in mm) approximiert werden kann.

    Ausgehend davon ergibt sich für die Stromkreisgleichung

    Stromkreisgleichung

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    Bild: DGUV

    Diese Gleichung lässt sich nicht in geschlossener Form, sondern nur durch Iteration lösen (Abschnitt 4.3.1).

    Die Berechnungsgrundlagen sind durch umfangreiche messtechnische Untersuchungen im Hochleistungs-Prüflabor mit Variation der wichtigen Einflussparameter in systematischen Testreihen abgeleitet und verifiziert worden.


  • F6 - Bestehen bei PV-Anlagen Störlichtbogenrisiken?

    Bei Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) haben wir es mit Gleichstromquellen (DC-Quellen) zu tun, die je nach Sonneneinstrahlung in der abgegebenen Leistung variieren. Gegebenenfalls existiert ein Batteriespeicher. Bei neueren Anlagen gibt es Schutzeinrichtungen, die die Quellen direkt abschalten.

    Die Gefährdungen für Personen hängen von der Größe der Anlage und der Fehlerstelle ab. Es gibt bisher vergleichsweise nur wenige Erfahrungen. Kritisch ist der Bereich zwischen den PV-Generatoren und dem Wechselrichter. Längsfehler sind dabei aus der Sicht der Personengefährdung (Hautverbrennungen) eher unkritisch, hier besteht insbesondere das Risiko der Brandentstehung. Kritisch aus Personenschutzsicht sind Querfehler, also Kurzschlüsse mit Störlichtbögen.

    Mithilfe der DGUV-I 203-077 sind konkrete Betrachtungen für PV-Anlagen möglich (Excel-Tool DC, Abschnitt 5 und Anlage A 8). Es müssen alle möglichen Fehlersituationen bewertet werden. Batteriespeicher müssen in die Überlegungen mit einbezogen werden.