Das Risiko bestimmt sich aus der Schadensschwere und der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Verletzung.
Für die Berechnungen und die Auswahl der Persönlichen Schutzausrüstung gegen die thermischen Gefahren eines Störlichtbogens (PSAgS) gibt es drei Excel-Tools, die zum Download zur Verfügung stehen - zwei Tools für AC-, ein drittes für DC-Anwendungen (Download-Link in Abschnitt 5 und Anhang A 8).
Diese Tools enthalten jeweils einen Reiter „Risikobewertung“. Aus dem Verhältnis der berechneten Lichtbogenenergie zum Schutzpegel der PSAgS wird dort zunächst die Schadensschwere einer möglichen Verletzung durch Störlichtbogen abgeschätzt. Im Weiteren eröffnen die Tools die Möglichkeit, eine weitere Risikobetrachtung unter Berücksichtigung der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Verletzung durchzuführen. Das beinhaltet die Anwendung eines Bewertungsschemas für den technischen Zustand der Anlage, für die Mitarbeiterqualifikation, für die verwendeten Werkzeuge, Zusatzeinrichtungen etc., für ergonomische und für statistische Einflussfaktoren. Man erhält dann Ergebnisblätter, die ausgedruckt, archiviert, abgelegt werden können und aus denen das Ergebnis sichtbar ist, wo man in einer Risikomatrix aus Schadensschwere und Eintrittswahrscheinlichkeit einer Verletzung landet, ob es ein grünes Feld, gelbes Feld oder rotes Feld ist (Abschnitt 3). Wenn man in einem roten Feld gelandet ist, dürfen die Tätigkeiten so nicht durchgeführt werden; es müssen sich weitere Überlegungen anschließen bzw. Zusatzmaßnahmen festgelegt werden.
Für die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Störlichtbogenverletzung sind 5 Abstufungen definiert (Abschnitt 3 und Anhang A 4.3). Mit abnehmender Wahrscheinlichkeit sind dies: „gelegentlich bis häufig“, „selten“, „unwahrscheinlich“, „denkbar, aber sehr unwahrscheinlich“, „praktisch unmöglich“. Hinsichtlich der Zuordnung kann man sich an der Häufigkeit des Auftretens möglicher Verletzungen orientieren. Das ist die erwartete, durchschnittliche Verletzungshäufigkeit eines Beschäftigten, die auf Basis von Art, Umfang, Komplexität der durchzuführenden Tätigkeit und der jeweils getroffenen Schutzmaßnahmen nach dem T-O-P-Prinzip abzuschätzen ist.
Als gelegentlich bis häufig wird eine Eintrittswahrscheinlichkeit angesehen, wenn Verletzungen monatlich bis jährlich erwartet werden müssen.
Dies kann z.B. der Fall sein, wenn Lichtbogenschutzmaßnahmen noch nicht eingeführt sind oder nicht beachtet werden.
Als selten sind Störlichtbogenereignisse mit Verletzung einzuordnen, die mit einer Häufigkeit von 1-mal in 10 Jahren eintreten (Verletzungsereignisse haben einen mittleren statistischen Abstand von 10 Jahren).
Dies ist z.B. der Fall,
Als unwahrscheinlich ist eine Störlichtbogenverletzung bei Häufigkeiten von 1-mal in 50 Jahren einzustufen. Verletzungen können deshalb nicht ausgeschlossen werden, da Unfälle in der Branche bekannt, aber sehr selten sind.
Dies kann zutreffend sein
In der Kategorie denkbar, aber sehr unwahrscheinlich geht man von einer Häufigkeit von 1-mal in 100 Jahren aus. Theoretisch kann es zu einer Verletzung kommen, in der Praxis ist dies unter vernünftig vorhersehbaren Voraussetzungen allerdings nicht zu erwarten.
Dies ist in der Regel der Fall
Als praktisch unmöglich ist einzustufen, wenn die Häufigkeit für eine Verletzung geringer als 1-mal in 100 Jahren ist und folglich praktisch nicht mit einer Verletzung gerechnet werden muss.
Dies kann zutreffend sein
Wenn die Erwartungswerte der Lichtbogenenergie ein Mehrfaches der erreichten Schutzpegel der Persönlichen Schutzausrüstung gegen die thermischen Gefahren eines Störlichtbogens (PSAgS) betragen, kann eine Risikobeurteilung erfolgen, in deren Ergebnis Maßnahmen zur Reduzierung der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Verletzung (Störlichtbogen) festgelegt werden. Solche Festlegungen sollten sich auf technische, organisatorische und persönliche Maßnahmen beziehen und z.B. die Art und den Zustand der betreffenden Anlage, die Ausbildung und Befähigung des Personals, statistische und ergonomische Einflussfaktoren berücksichtigen (Anhang A 4.3).
Liegt der Erwartungswert der Störlichtbogenenergie (Anhang A 4.1. und 4.2) im Bereich bis zum 3-fachen Wert des PSAgS-Schutzpegels kann bei Unfällen im Allgemeinen von reversiblen Verletzungen ausgegangen werden und ein Arbeiten ist zulässig, wenn die eingeleiteten Maßnahmen dazu führen, dass Störlichtbögen bzw. Verletzungen zwar prinzipiell denkbar, aber sehr unwahrscheinlich sind (Häufigkeit für Verletzungen 1-mal in 100 Jahren). Bei zu erwartenden Störlichtbogenenergien im Bereich des 3…10-fachen Schutzpegels der PSAgS (irreversible Verletzungen) müssen die eingeleiteten Maßnahmen dagegen dazu führen, dass Störlichtbögen bzw. Verletzungen praktisch unmöglich sind (Häufigkeit kleiner 1-mal in 100 Jahren). Übersteigen die Erwartungswerte der Störlichtbogenenergie das 10-fache des PSAgS-Schutzpegels kann es zu tödlichen Verletzungen kommen; PSAgS sind dann keine Lösung für den Schutz der Personen, so dass die betreffenden Arbeiten nicht ausgeführt werden können.
Diese Betrachtungen sind anhand einer Risikomatrix und Benutzung eines Punktesystems möglich, was in der DGUV-I 203-077 in Abschnitt 3 und Anlage 4 beschrieben wird, und können mithilfe des bereitgestellten Excel-Tools (Abschnitt 5 und Anhang A 8) ausgeführt werden.
Bei sehr hohen Lichtbogenenergien ist immer auch zu berücksichtigen, dass sich die Betrachtungen der DGUV-I 203-077 auf die thermischen Risiken durch Störlichtbögen beziehen, Störlichtbögen jedoch auch weitere gefährliche Wirkungen wie Druck- und Kraftwirkungen, Schallemissionen, optische Strahlung, austretende Gase etc. besitzen, die dann erheblich stärkere Risikofaktoren für Personen darstellen und durch die PSAgS generell nicht abgedeckt sind.
In der Risikomatrix werden zur Orientierung allgemein anerkannte Grade und Häufigkeiten für die Bewertung des Risikos einer Verletzung zugrunde gelegt. Die Schwere einer Verletzung orientiert sich an dem Verhältnis bzw. Faktor, um den die zu erwartende Störlichtbogenenergie den Schutzpegel der Persönlichen Schutzausrüstung gegen die thermischen gefahren eines Störlichtbogens (PSAgS) übersteigt; es sind 4 Schweregrade definiert (Abschnitt3 und Anhang A 4.2).
Ist das Verhältnis kleiner 1 (Schweregrad 1), so ist lediglich mit leichten Verletzungen (Hautverbrennungen 1. Grades) zu rechnen. Die PSAgS bietet bei Störlichtbogenunfällen thermischen Schutz.
Liegt der Faktor zwischen 1 und 3 (Schweregrad 2), so können Hautverbrennung 2. Grades, Blasenbildung und starke Schmerzen auftreten. Man muss ggfs. von Narbenbildung, kann jedoch insgesamt von vollständiger Heilung ausgehen. Die Verletzungen sind reversibel. Für den Schutz durch PSAgS ist es akzeptabel, wenn Störlichtbogenverletzungen zwar nicht vollständig auszuschließen, also denkbar sind, praktisch unter vernünftig voraussehbaren Voraussetzungen jedoch nicht zu erwarten und damit sehr unwahrscheinlich sind.
Bei Faktoren im Bereich 3…10 (Schweregrad 3) kann es zu irreversiblen Verletzungen (Hautverbrennung 3. Grades; Verbrennung tieferer Hautschichten) kommen. Schutz durch PSAgS kann akzeptiert werden, wenn Störlichtbogenverletzungen praktisch unmöglich sind.
Ist das Energieverhältnis größer 10 (Schweregrad 4), muss man von Verbrennungen mit Todesfolge ausgehen; PSAgS stellen in diesem Fall keine Lösung für den Schutz von Personen vor den thermischen Wirkungen eines Störlichtbogens dar und Arbeiten sind somit nicht zulässig.
Nein, die Wahrscheinlichkeit für das Auslösen von Störlichtbögen und Störlichtbogenunfälle ist beim Arbeiten unter Spannung nicht höher als bei den anderen Arbeitsverfahren, vorausgesetzt diese werden nach erprobten Verfahren durchgeführt.
Das Arbeiten unter Spannung (AuS), bei denen besondere organisatorische und technische Maßnahmen erforderlich sind, wird nur durch speziell qualifizierte und ausgerüstete Personen nach definierten Arbeitsverfahren durchgeführt. Das sind Spezialisten, die speziell ausgebildet und sensibilisiert sind für die Gefahren und die Folgen möglicher Fehler., Es sind deshalb im Bereich des AuS nur sehr wenige Unfälle zu verzeichnen, weil diese Personen in der Regel sehr bedacht, bewusst und mit hoher Aufmerksamkeit handeln. Insofern ist die Wahrscheinlichkeit für das Auslösen von Störlichtbögen und Störlichtbogenunfälle – nachweislich und statistisch belegt – sehr gering. Besondere Störlichtbogengefährdungen können sich dagegen gerade durch das Annähern mit nicht überbrückungssicheren Werkzeugen an überbrückbare Potentiale bei Arbeiten in der Nähe Spannung führender Teile im Niederspannungsnetz ergeben.
In der Mittelspannung ist bei Arbeiten der Abstand der Person zum Störlichtbogen in der Regel deutlich größer ist als bei Arbeiten in Niederspannungsanlagen; vor allem, wenn man in Mittespannungsanlagen mit der AuS-Arbeitsmethode „Arbeiten auf Abstand“ arbeitet (z. B. AuS in Innenraumanlagen). Durch einen größeren Abstand verringern sich aufgrund der näherungsweise quadratischen Abstandsabhängigkeit die thermischen Lichtbogenwirkungen deutlich.