Untersuchung dynamischer Arbeitsstationen an Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen in der betrieblichen Praxis

Projekt-Nr. IFA 0021

Status:

abgeschlossen 12/2017

Zielsetzung:

Langandauernde Sitzhaltungen werden für die Entstehung chronischer Erkrankungen diskutiert. Studien zeigen einen nachteiligen Zusammenhang zwischen dauerhafter physischer Inaktivität und Muskel-Skelett-Beschwerden, Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-II-Diabetes und vorzeitiger Mortalität. In Deutschland arbeiten zurzeit ca. 18 Millionen Beschäftigte z. T. in langandauernden sitzenden Körperhaltungen. Bewegungsmangel kann so zum Problem werden. Hersteller bieten sogenannte dynamische Büroarbeitsplätze an, an denen Büro- und Bildschirmtätigkeiten in Verbindung mit einer leichten physischen Aktivität ausgeführt werden können.

Vor diesem Hintergrund führte das IFA bereits in Kooperation mit dem niederländischen TNO-Institut eine vergleichende Laboruntersuchung zur physischen Aktivität und kognitiven Leistungsfähigkeit an dynamischen und konventionellen Büroarbeitsplätzen durch. Dabei stellte sich heraus, dass dynamische Arbeitsstationen zu einer signifikanten Erhöhung der physischen Aktivität und des Energieumsatzes beitragen können. Die kognitive Leistungsfähigkeit war kaum eingeschränkt, allerdings war die Akzeptanz der untersuchten dynamischen Arbeitsstationen bei den Nutzern nicht sehr hoch.

Vor diesem Hintergrund und auf Anfrage eines Mitgliedsbetriebes, der plant, dynamische Arbeitsstationen in seinen Verwaltungen einzusetzen, wurde diese Untersuchung mit der folgenden Fragestellung durchgeführt: Welche derzeit auf dem Markt verfügbaren dynamischen Arbeitsstationen sind für die betriebliche Praxis geeignet?

Nach einer Vorauswahl von geeigneten Produkten sollen diese in einer Feldstudie hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zur Aktivitätssteigerung, Akzeptanz durch die Nutzer, Praktikabilität und tatsächlichen Nutzungsdauer untersucht werden.

Aktivitäten/Methoden:

Zur Auswahl geeigneter dynamischer Arbeitsstationen wird zunächst eine Marktrecherche durchgeführt und ein Anforderungskatalog (Kriterien u. a.: Praktikabilität, Kosten, Wirksamkeit hinsichtlich Aktivitätssteigerung, erwartete Akzeptanz und Komfort, Wartungsaufwand,…) gemeinsam mit dem Betrieb erstellt. In einer Pilotstudie sollen die so ermittelten dynamischen Arbeitsstationen von Beschäftigten an Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen in der betrieblichen Praxis getestet und bewertet werden. Die in diesem Pilotprozess am besten bewerteten dynamischen Arbeitsstationen sollen im Folgenden in einer kontrollierten Interventionsstudie mit ca. 60 Personen (beschwerdefreie Bürosachbearbeiter/-innen , ca. 30 Interventions- und 30 Kontrollprobanden) näher bzgl. ihrer Wirksamkeit zur Aktivitätssteigerung, Akzeptanz bei der Nutzung, Praktikabilität und tatsächlichen Nutzungsdauer untersucht werden.

Vor Beginn der Intervention sollen mittels standardisierter Befragung das subjektive Beschwerdeempfinden, das Komfortempfinden am derzeitigen Büroarbeitsplatz und der erste Eindruck der dynamischen Arbeitsstationen vor der Nutzung erfasst werden. Nach einer intensiven Einweisung der Interventionsprobanden in die Nutzung der dynamischen Arbeitsstationen soll die Interventionsphase (Dauer sechs Wochen) beginnen.

Alle Teilnehmenden werden mit Messsystemen zur Aktivitätserfassung (Wearables) ausgerüstet, die zuvor in Laboruntersuchungen kalibriert wurden. Eine Abdeckung des Displays der Wearables verhinderte direktes Feedback der täglichen körperlichen Aktivität. Die Messdaten der Wearables ermöglichen eine Quantifizierung der täglichen physischen Aktivität aller Teilnehmenden. Die dynamischen Arbeitsstationen stehen an hierfür entwickelten Ausleihstationen zur Nutzung zur Verfügung. Mittels Sensoren wird hierbei sowohl die Ausleihzeit als auch die tatsächliche Nutzungsdauer und Intensität der Nutzung erfasst.

Nach der Interventionsphase wird mittels standardisierter Befragung das subjektive Beschwerdeempfinden, Komfortempfinden (alle Probanden) und bei den Interventionsprobanden zusätzlich die Akzeptanz der neuen Arbeitssituation erfasst. Zusätzlich findet eine Abfrage zur Nutzung der dynamischen Arbeitsstationen und eine Gesamtbewertung der genutzten Arbeitsstationen statt.

Ergebnisse:

Als Ergebnis der Marktrecherche und einer Pilotstudie im Unternehmen wurden die praxistauglichsten und von den Mitarbeitern am besten bewerteten Gerätetypen für die Interventionsstudie ausgewählt. Dies waren die Gerätetypen Schreibtischergometer "Deskbike" und Untertischgerät "activeLifeTrainer". Anschließend wurde das Ausleih- und Nutzungsverhalten der Teilnehmer der Interventionsgruppe erfasst, physiologische Effekte der Nutzung beider Gerätetypen gemessen sowie die Nutzungsmotivation und subjektiv empfundene Praktikabilität untersucht. Außerdem wurden Effekte der Nutzung auf das generelle und arbeitsbezogene Wohlbefinden in einem Kontrollgruppendesign analysiert.

Die Ergebnisse zeigen, dass die dynamischen Arbeitsstationen an 40 % der Tage innerhalb des Interventionszeitraumes für durchschnittlich 54 Minuten pro Tag genutzt wurden. Der Energieumsatz und die Herzfrequenz stiegen während der Nutzung der Stationen im Vergleich zum Arbeiten im Sitzen signifikant an. Das Deskbike wurde insgesamt häufiger genutzt und führte zu einem größeren subjektiven Anstieg der Herzfrequenz im Vergleich zum activeLife Trainer. Beide Arbeitsstationen wurden von den Teilnehmern als gut einsetzbar im Büro empfunden, sie fühlten sich durch die Nutzung nicht in ihrer Arbeit gestört und waren autonom motiviert die Stationen zu nutzen. Eine Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens zeigte sich lediglich ab einer 2-3-maligen Nutzung pro Woche. Die untersuchten dynamischen Arbeitsstationen sind für den täglichen Einsatz geeignet und beide Gerätetypen können für den Einsatz im Büro empfohlen werden. Weiterführende Forschung bezüglich der Auswirkungen der Nutzung auf das arbeitsbezogene Wohlbefinden sowie des Einflusses der Nutzung dieser Geräte auf die Ausübung verschiedener Bürotätigkeiten ist zu empfehlen.

Stand:

06.07.2018

Projekt

Gefördert durch:
  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV)
Projektdurchführung:
  • Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA)
  • Sporthochschule Köln, RheinAhrCampus Remagen, Deutsche Telekom AG, BG Verkehr (ehemals UK Post und Telekom)
Branche(n):

Verwaltungen

Gefährdungsart(en):

Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren

Schlagworte:

Ergonomie

Weitere Schlagworte zum Projekt:

Büro- und Bildschirmarbeitsplätze, Prävention Bewegungsmangel, dynamische Arbeitsstationen, Nutzung, Akzeptanz, physische Aktivität, wearables

Kontakt

Weitere Informationen

Ellegast R. , Schellewald V., Heinrich A., Alina Schäfer, Anna Wasserkampf, Jens Kleinert. IFA-Report 3/2018. Active Workplace: Physiologische und psychologische Bedingungen sowie Effekte dynamischer Arbeitsstationen. Hrsg.: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Berlin 2018.

Ellegast, R.P.; Schellewald, V. Förderung physischer Aktivität durch dynamische Büroarbeitsplätze Sicherheitsingenieur (2017) Nr. 1, S. 28-29

Schellewald, V.; Kleinert, J.; Ellegast, R. Use and physiological responses of portable dynamic office workstations in an occupational setting - a field study. Applied Ergonomics (2018), accepted for publication.

Schellewald, V.; Weber, B.; Ellegast, R.P. Nutzung dynamischer Arbeitsstationen in der betrieblichen Büropraxis - Vorstellung der "Active Workplace"-Studie In: 6. DGUV Fachgespräch Ergonomie. DGUV Report 2/2017. S. 43-48. Hrsg.: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Berlin 2017.