
abgeschlossen 04/2025
Quetschrisswunden beschreiben offene Verletzungen der oberflächennahen Weichgewebe und entstehen unter stumpfer Gewalteinwirkung auf den Körper, was zu einem Aufreißen der Gewebsschichten führt. Sie sind im Alltag häufig zu beobachten – z. B. als Folge von Stürzen, dem Anprall gegen Gegenstände oder Unfällen im Sport- und Arbeitsbereich. Im Arbeitsumfeld bedeutet eine Quetschrisswunde eine Arbeitsunterbrechung, das Aufsuchen eines Arztes und eine bis zu mehreren Wochen andauernde vollständige Ausheilung mit der Gefahr von Entzündungen.
Quetschrisswunden gehören zur Gruppe der oberflächlichen Zerreißungen, welche 2018 mit 20,4 % die zweithäufigste Verletzungsursache im Arbeitsbereich und mit 35,8 % im Bereich Kita und Tagespflege sogar die häufigste Verletzungsursache bildeten. Dennoch ist bisher wenig zum Entstehungsmechanismus von Quetschrisswunden bekannt. Insbesondere gibt es keine gesicherte Datengrundlage anhand derer man die Verletzungsschwere abschätzen könnte.
Ziel des Vorhabens ist, valide Modelle für Weichgewebe unter stumpfer Gewalteinwirkung zu entwickeln. Damit kann der Verletzungsmechanismus, der zur Entstehung einer Quetschrisswunde führt, mittels computergestützten (finite-Elemente) Simulationen näher analysiert werden. Die Forschungshypothese nimmt an, dass die Haut aufgrund der Dehnung aufreißt, die sich bei einem Anprall durch die Kompression der Weichgewebe gegen den darunterliegenden Knochen orthogonal zur einwirkenden Kraft entwickelt. Die Entstehung von Quetschrisswunden hängt somit auch vom Verhalten der tiefer liegenden Weichgewebsschichten ab. Insbesondere soll die Verletzungsschwere in Abhängigkeit verschiedener Einflussfaktoren und anthropometrischer Details analysiert werden. Dadurch soll eine Datengrundlage zur Bewertung der Verletzungsschwere für Quetschrisswunden in verschiedenen Szenarien geschaffen werden, die durch eine Umsetzung in Präventionsmaßnahmen langfristig zu einer Reduzierung der Verletzungsschwere führt.
Zu Beginn des Projekts ist eine umfassende Darstellung verschiedener Aspekte zum Thema Quetschrisswunde erfolgt, insbesondere eine Literaturrecherche zum Aufbau und Materialverhalten der beteiligten Gewebeschichten (Haut, Fett, Muskeln). Basierend auf dieser Recherche sind Materialmodelle für die einzelnen Gewebetypen entwickelt und in eine computergestützte (finite-Elemente) Simulationsumgebung implementiert worden.
Im Projektverlauf wurden Materialmodelle für Haut-, Fett- und Muskelgewebe entwickelt und in einfachen Lastfällen, dazu zählen Zug (uniaxial, biaxial), Druck (uniaxial) und Scherung, so wie in komplexen Lastfällen (Fallversuchen) validiert und iterativ optimiert. Dabei wurde auch das anisotrope Verhalten von Haut berücksichtigt. Insgesamt sind über 450 reale Fallturmversuche an tierischem Ersatzgewebe erfolgt, die, neben Literaturdaten, als Grundlage für die Validierung der Materialmodelle dienten. Die Vorstudie der Fallturmexperimente ist im IFA-Report 4/2023 veröffentlicht worden.
Für Haut wurde zusätzlich ein Versagensmodell entwickelt, das auf der maximalen ersten Hauptdehnung beruht. Anschließend wurden die Modelle in einem mehrstufigen Verfahren in verschiedenen Belastungsszenarien validiert. Die Validierung erfolgte gegen experimentelle Daten aus der Literatur. Fehlende Daten wurden mittels ex vivo Versuchen an Schweinegewebe erhoben. Mehr als tausend Simulationen sind durchgeführt worden, um sowohl die Materialmodelle als auch des Versagensmodel ausgiebig zu testen.
Mit den Modellen wurde in verschiedenen Simulationssetups der Entstehungsmechanismus von Quetschrisswunden systematisch auf verschiedene Einflussfaktoren hin untersucht. Das Verletzungsrisiko wurde mit Hilfe von Menschmodellen an einigen typischen Szenarien veranschaulicht. Zudem wurde eine Datengrundlage geschaffen, die zur Bewertung des Verletzungsrisikos von Quetschrisswunden an Unfallschwerpunkten verwendet werden kann.
In einer Sensitivitätsstudie sind unter anderem der Einfluss der Gestaltungsparameter der Einrichtungsgegenstände, der Randbedingungen des Unfallszenarios, sowie der körperlichen Gegebenheiten auf das Entstehen einer Quetschrisswunde untersucht worden. Die körperlichen Gegebenheiten (Gewebedicken, Knochenaufbau und Festigkeit, sowie die Orientierung der Langerlinien (Spannungslinien in der Haut)) unterscheiden sich je nach Körperstelle und Alter der Personengruppen, wobei dreijährige Kinder im Fokus dieser ersten Untersuchungen standen. Die auftretenden Geschwindigkeiten und Massen werden durch das Unfallszenario vorgegeben. Bei den Einrichtungsgegenständen lassen sich zwei Parameter finden, die auch in Bezug auf Präventionsmaßnahmen beinflussbar sind. Dazu zählt zum einen der Kantenradius und zum anderen das verwendete Material (Metall, Holz, Kunststoffe) von Einrichtungsgegenständen. Exemplarisch sind sieben Simulationsreihen für die Einflussuntersuchung an einer Kombination aus Haut und Fettgewebe durchgeführt worden, dabei sind Kantenradien zwischen 2 mm und 60 mm untersucht worden. Die Einflussuntersuchungen zeigen, dass die maximale erste Hauptdehnung mit größerem Radius abnimmt. Der Unterschied zwischen einem 2 mm und 10 mm Kantenradius führt, je nach Randbedingungen, zu einer Reduktion von bis zu 20 %. Abnehmende Festigkeiten der Materialen bewirken ebenfalls eine Reduktion der maximalen ersten Hauptdehnung, dieser Effekt ist jedoch bei einem kleineren Radius von z. B. 2 mm geringer als beim 10 mm Kantenradius. Genauere Aussagen können der geschaffenen Datengrundlage entnommen werden oder zukünftig mit den aufgebauten Modellen spezifisch für den Anwendungsfall berechnet werden. Zusätzlich wurde ein THUMS-Menschmodell (Total HUman Model for Safety entwickelt von Toyota Motor Corporation und Toyota Central R&D Labs., Inc.) eines dreijährigen Kindes verwendet, um das Unfallszenario, einen Sturz mit der Stirn gegen einen Einrichtungsgestand, zu veranschaulichen.
In weiteren Simulationen können nun auch andere Körperregionen (z. B. Schienbein) und andere Altersklassen detaillierter betrachtet werden. Die bisher aufgebauten Modelle können noch kein Versagen in den tieferen Schichten zeigen, was eine zukünftige Erweiterung der Modelle darstellen könnte. Die Ergebnisse sind dem Sachgebiet "Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege" vorgestellt worden und sollen bei der Überarbeitung entsprechender Vorschriften und Regeln berücksichtigt werden.
-branchenübergreifend-
Gefährdungsart(en):Mechanische Gefährdungen
Schlagworte:Mechanische Gefährdung
Weitere Schlagworte zum Projekt:Quetschrisswunde, oberflächennahe Weichgewebeverletzungen, Stumpfes Trauma, mechanische Gefährdungen, Simulationen