Wo finde ich Begründungsdokumente für deutsche Arbeitsplatzgrenzwerte?

Bis in die 1990er-Jahre genügte zumeist ein Blick in die "Toxikologisch-arbeitsmedizinischen Begründungen" [1] der "MAK-Kommission", der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), um die Ableitung von Luftgrenzwerten für chemische Arbeitsstoffe nachzuvollziehen, die in Deutschland und mehreren anderen europäischen Staaten gültig waren. Auch über mögliche krebserzeugende, erbgutverändernde, fortpflanzungsgefährdende oder sensibilisierende Eigenschaften des betreffenden Gefahrstoffs, die schließlich zu einer entsprechenden Einstufung führten, gaben die Datenblätter der MAK-Kommission in der Regel erschöpfend Auskunft.

Inzwischen sind die Entscheidungsprozesse deutlich komplexer geworden. Der Einfluss der Europäischen Union auf das nationale Gefahrstoffrecht macht sich zunehmend bemerkbar. Die MAK-Kommission ist nicht mehr der einzige "Zulieferer" von Grenzwert- und Einstufungsempfehlungen in Deutschland. Auf Empfehlung des Ausschusses für Gefahrstoffe (AGS) hat das zuständige Bundesministerium mittlerweile auch Luftgrenzwert-Vorschläge anderer Gremien in das Regelwerk übernommen.

Dies hat dazu geführt, dass die wissenschaftlichen Begründungen für die Höhe einzelner Luftgrenzwerte oder die Datenbasis für die Einstufung arbeitsplatzrelevanter gefährlicher Stoffe in Deutschland nicht mehr zentral gesammelt und veröffentlicht werden. Die entsprechenden Texte finden sich vielmehr verstreut in mehreren Loseblattwerken, Schriftenreihen, Zeitschriften oder im Internet.

Aus deutscher Sicht stellte zudem die Novellierung der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) im Jahr 2004 mit ihrem schärfer umgrenzten Arbeitsplatzgrenzwert-Konzept viele Arbeitsschützer vor Herausforderungen. Ein Arbeitsplatzgrenzwert gibt nun definitionsgemäß an, "bei welcher Konzentration eines Stoffes akute oder chronische schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen nicht zu erwarten sind". Damit ist für technisch oder unzureichend toxikologisch begründete Luftgrenzwerte kein Platz mehr im nationalen Regelwerk. Die im Januar 2006 veröffentlichte Technische Regel für Gefahrstoffe "Arbeitsplatzgrenzwerte" (TRGS 900) enthielt deshalb nur noch knapp halb so viele Arbeitsstoffe wie die Vorgängerversion [2]. Für Fachleute, die nicht unmittelbar in die Entscheidungsprozesse eingebunden waren, dürfte es z. T. schwer nachvollziehbar sein, warum nach kritischer Prüfung im Licht der neuen GefStoffV bestimmte Luftgrenzwerte beibehalten, andere jedoch aus der TRGS 900 getilgt wurden.

Aber auch wenn der Luftgrenzwert aufgehoben wurde – Tätigkeiten mit einem Gefahrstoff am Arbeitsplatz erfordern eine fundierte Gefährdungsbeurteilung und adäquate Schutzmaßnahmen. Hier können sogar "ausgemusterte" Grenzwert-Begründungspapiere mit den enthaltenen toxikologisch-arbeitsmedizinischen oder technischen Daten teilweise noch als wertvolle Informationsquellen dienen.

Um allen Interessierten die Suche nach Begründungspapieren zu erleichtern, wurde die Datenbank "GESTIS – Wissenschaftliche Begründungen" erstellt. Sie weist – sofern recherchierbar – den Fundort der Originaldokumente zur Ableitung aller in Deutschland gültigen Arbeitsplatz-Luftgrenzwerte nach. Die Datenbank führt auch die wissenschaftlichen Begründungen für die nationale Einstufung von Gefahrstoffen nach den deutschen Technischen Regeln TRGS 905 und TRGS 907 als krebserzeugend, erbgutverändernd, fortpflanzungsgefährdend oder sensibilisierend auf. Sie enthält darüber hinaus Quellenangaben zu denjenigen Dokumenten, die bis Ende 2004 die Basis von inzwischen aufgehobenen deutschen Arbeitsplatz-Luftgrenzwerten darstellten, und erläutert kurz den Hintergrund ihrer Streichung aus der TRGS 900.

Schließlich verweist die Datenbank auf weitere Stoffdossiers, die insbesondere für Arbeitsschützer eine Fülle wichtiger Angaben über substanzspezifische Eigenschaften bereithalten.

Rechtstexte

 

Weitere Literatur

[1] Hartwig, A. (Hrsg.): Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe – Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten (Maximale Arbeitsplatz Konzentrationen). Wiley-VCH, Weinheim 1972 - Loseblattsammlung. ISSN 0930-1954

[2] Pflaumbaum, W.: Aus der Arbeit des AGS: Erste Arbeitsplatzgrenzwerte zur neuen Gefahrstoffverordnung. Gefahrstoffe – Reinhalt. Luft 66 (2006) Nr. 3, S. 124-127.

Zugang:

GESTIS - Wissenschaftliche Begründungen

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