Berufskrankheiten: Besonders gefährdete Personen individuell schützen

Die Individualprävention von beruflich bedingten Hautkrankheiten zielt darauf ab, das Risiko der Entstehung einer beruflich bedingten Hauterkrankung zu vermindern oder deren Folgen durch frühzeitige rehabilitative Maßnahmen zu verringern. (Foto: auremar-stock.adobe.com)
Nicht jede beruflich bedingte Erkrankung lässt sich durch allgemeine Schutzmaßnahmen verhindern. Hier kommt die sogenannte Individualprävention ins Spiel. Was genau das ist, erklärt Fred Zagrodnik, Leiter der Abteilung Berufskrankheiten bei der DGUV.
Herr Zagrodnik, was genau versteht man unter Individualprävention?
Mit individualpräventiven Maßnahmen wirkt die gesetzliche Unfallversicherung der Gefahr entgegen, dass bei einer einzelnen Person eine Berufskrankheit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert. Ziel ist es, dass die Betroffenen ihre Tätigkeit weiter ausüben können, ohne dass sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechtert.
Für wen ist das geeignet?
Das setzt voraus, dass bei dieser Person bereits erste Krankheitsanzeichen vorliegen. Im Vergleich zu ihren Kolleginnen und Kollegen besteht bei dieser Person bereits ein konkretes, individuell erhöhtes Risiko einer Berufskrankheit, wenn sie die versicherte Tätigkeit weiterhin ausübt, ohne das Gefährdungspotenzial zu vermeiden oder zumindest zu verringern – beispielsweise bei Hauterkrankungen, Bandscheibenerkrankungen, Gonarthrose oder der Lärmschwerhörigkeit.
Auf welche Krankheiten beziehen sich individualpräventive Maßnahmen beispielsweise?
Individualpräventive Maßnahmen kommen theoretisch bei allen Berufskrankheiten in Betracht. Davon gibt es derzeit 85, die in der Berufskrankheitenliste aufgeführt sind. Praktisch gibt es aber Einschränkungen, zum Beispiel weil einige frühere gesundheitsgefährdende Einwirkungen nicht mehr vorkommen, da sich Arbeits- oder Herstellungsprozesse geändert haben. Oder die Erkrankung tritt erst lange nach der Einwirkung, der sogenannten Latenzzeit, auf. Bei der Asbestose ist das beispielsweise der Fall. Außerdem gibt es Berufskrankheiten, bei denen sich kein individuell erhöhtes Erkrankungsrisiko der jeweiligen Person identifizieren lässt.
Können Sie konkrete Beispiele für Maßnahmen nennen?
Mit Blick auf das jeweils individuell erhöhte Erkrankungsrisiko der einzelnen Person wird gemeinsam geprüft, welche Maßnahmen am Arbeitsplatz erforderlich sind, um dieses individuelle Erkrankungsrisiko zu verringern. Das wird auch als Verhältnisprävention bezeichnet. Dabei kommen – je nach Art der Erkrankung – zum Beispiel speziell für die erkrankte Person ausgewählte Mittel zur Hautreinigung oder -pflege in Betracht. Gleichzeitig wird geprüft, ob die Arbeitsabläufe geändert werden können, zum Beispiel weniger gefährdende Aufgaben übertragen werden können oder der zeitliche Anteil der Tätigkeit reduziert werden kann.
Und dann gibt es Maßnahmen der Verhaltensprävention. Hier wird zum Beispiel durch die Verwendung spezieller Hebe- oder Tragehilfen für besonders gefährdete versicherte Personen das Ausüben der Tätigkeit angepasst. Das Gleiche gilt für das Erlernen von Bewegungsabläufen für Hebe- oder Tragevorgänge, welche die Bandscheibe weniger intensiv belasten.
Ein weiteres Beispiel sind individuelle Hautschutzpläne, die auf die sinnvolle Nutzung der individuell zur Verfügung gestellten Hautreinigungs- oder Hautpflegemittel abzielen. Es kommt also auf das abgestimmte Zusammenspiel zwischen Verhältnis- und Verhaltensprävention an, auch unterstützt von medizinischen Maßnahmen, um den Gesundheitszustand zu stabilisieren. Für die Kosten der Individualprävention, kommt übrigens die gesetzliche Unfallversicherung, also die zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse, auf.
Wer bestimmt denn, welche Maßnahmen der Individualprävention geeignet sind?
Das hängt von der Wirkung und von den Erfolgsaussichten ab. Um das abschätzen zu können, sind verschiedene Kenntnisse erforderlich. Daher lässt sich die Frage nicht eindeutig und für alle Fälle einheitlich beantworten. In der Regel können auf medizinischem Gebiet die behandelnden Ärztinnen und Ärzte und auf technischem und arbeitsorganisatorischem Gebiet die Präventionsfachleute der Unfallversicherungsträger erkennen, welche Maßnahmen erfolgversprechend sind. Auch Gewerbeärztinnen oder -ärzte können unterstützen. Für die versicherten Personen gibt es eine gesetzliche Mitwirkungspflicht.
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Ausgabe 5/2022:
"Mit Individualprävention die Gesundheit verbessern"
Ausgabe 6/2025:
"Individualprävention in der Berufsdermatologie - ein Update"
GUT ZU WISSEN
Festakt 100 Jahre Berufskrankheitenrecht
1925 wurde Deutschlands Berufskrankheiten Verordnung erlassen – ein Meilenstein für die soziale Sicherheit. Die DGUV und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) würdigen diese wegweisende Errungenschaft mit einem Festakt am 21. Oktober 2025 unter dem Motto – Verantwortung für gestern. Sicherheit für morgen.
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