Schweißer können im Berufsalltag einer Vielzahl potenziell atemwegsschädigender Substanzen ausgesetzt sein. Diese Noxen können sowohl spezifische als auch unspezifische Schädigungen der Atemwege und der Lunge hervorrufen und zu vielfältigen Beschwerden führen. Allein in Deutschland arbeiten circa 400.000 Beschäftigte als Vollzeit- oder Gelegenheitsschweißer. Schweißrauche gehören daher nach wie vor zu den relevanten, potenziell atemwegsschädigenden Einwirkungen am Arbeitsplatz.
Personen, die über viele Jahre Schweißarbeiten durchführen, haben ein erhöhtes Risiko, durch das Einatmen von chemisch-irritativen Schweißrauchkomponenten und hohen Partikelkonzentrationen an Atemwegsbeschwerden zu leiden. Sie können dabei ein Asthma bronchiale oder eine chronisch obstruktive Bronchitis (COPD) entwickeln. Krebserzeugende Bestandteile des Schweißrauchs, wie Chrom(VI) oder oxidische Nickelverbindungen, können bei hoher Einwirkung zu Lungenkrebs führen. Ein selteneres Krankheitsbild stellt die „Schweißerlunge“ oder Siderofibrose dar.
Beim Schweißen entstehen gasförmige Emissionen wie Nitrose Gase und Ozon sowie partikuläre Stoffe wie Chrom(VI), Mangan- oder Nickelverbindungen. Sie können chemisch-irritative Wirkung auf die Atemwege haben. In der Folge können Schweißer arbeitsplatzbezogene asthmatische Beschwerden oder eine COPD entwickeln. Da Schweißrauche meist atemwegsreizend, aber kaum allergisierend wirken, ist insbesondere die Berufskrankheit 4302 „Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen“ relevant. Weitere Einflussfaktoren sind andere berufliche Einwirkungen wie Lösemittel, Quarzstäube oder Asbest sowie Umweltallergene und Tabakrauchen.
Eine Siderofibrose kann insbesondere nach langjährigen Schweißarbeiten an eisenhaltigen Materialien unter schlechten arbeitshygienischen Bedingungen auftreten.
Das Krankheitsbild kann seit 2009 als Berufskrankheit 4115 „Lungenfibrose durch extreme und langjährige Einwirkung von Schweißrauchen und Schweißgasen – (Siderofibrose)“ anerkannt werden (Ärztlicher Sachverständigenbeirat 2010). Es lagern sich dabei Eisenpartikel im Lungengewebe ab und führen zu einer vermehrten Bildung von Bindegewebe in den Lungenzwischenräumen (Fibrose). Typisch ist belastungsabhängige Luftnot, die später auch in Ruhe auftreten kann.
Die Fibrose kann die Lungenfunktion einschränken – etwa durch eine verminderte Lungenkapazität oder gestörten Gasaustausch. Nach Expositionsende schreitet die Erkrankung in der Regel nicht oder nur langsam fort.
Von der Siderofibrose abzugrenzen ist die häufiger auftretende Siderose. Hierbei handelt es sich um eine Eisenüberladung der Lunge ohne nennenswerte Bindegewebsvermehrung oder Vernarbung.
Das Krankheitsbild der Siderofibrose setzt individuelle Suszeptibilität voraus, das bedeutet: Nicht jede Person, die entsprechenden Expositionen ausgesetzt ist, erkrankt zwangsläufig. Während sich in den Veröffentlichungen des Verordnungsgebers für das Kriterium der Langjährigkeit relativ konkrete Angaben entnehmen lassen (15.000 Arbeitsstunden oder 10 Jahre), fehlen präzise Definitionen dazu, wann eine Schweißraucheinwirkung als „extrem“ einzustufen ist. Aus der wissenschaftlichen Begründung wurde in der Vergangenheit abgeleitet, dass Schweißtätigkeiten in beengten räumlichen Verhältnissen – etwa in Tanks, Containern oder Schiffsbäuchen – als „extreme Einwirkung“ gelten (Ärztlicher Sachverständigenbeirat, 2006; Buerke et al., 2002). Dieses Vorgehen wurde zwischenzeitlich im Falle eines Schweißers durch die Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt (BSG, 2021). Daraus ergab sich die Herausforderung, neu zu definieren, unter welchen Umständen Einwirkungen als „extrem“ im Sinne der gesetzlichen Definition zu betrachten sind.
Aus diesem Grund hat sich eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung der DGUV-Institute IPA und dem Institut für Arbeitsschutz (IFA) sowie der Berufsgenossenschaft Holz und Metall mit dieser Fragestellung befasst. Ergebnis dieser Zusammenarbeit sind zwei Publikationen, die ein strukturiertes Vorgehen in Verdachtsfällen beschreiben. Zum einen wurden Vorschläge gemacht, wann aus arbeitstechnischer Perspektive „extreme“ Bedingungen angenommen werden können. Demnach sind Szenarien mit hoher Rauchbelastung, wie beispielsweise fehlende Absaugung und Verwendung hochemissiver Verfahren, als „extrem“ zu werten (Pucknat et al., 2024). Zum anderen wurde ein medizinisch-diagnostischer Algorithmus entwickelt, der die Abgrenzung der Siderofibrose von anderen Lungenfibrosen erleichtern soll (Weidhaas et al., 2025).
Im Rahmen eines Berufskrankheitenfeststellungsverfahren stellte sich ein 60-jähriger Schlosser mit Luftnot im IPA vor. Bei ihm war bereits eine COPD diagnostiziert worden. Die Computertomographie-Aufnahmen legten zusätzlich den Verdacht auf eine staubbedingte Lungenerkrankung nahe – eine sogenannte Pneumokoniose.
Der Versicherte war rund 20 Jahre im Waggonbau tätig, wo er unter anderem Reparaturarbeiten in den Waggons durchführte. Geschweißt wurden vor allem Baustahl im E-Hand oder Schutzgas-Verfahren (MIG/MAG) gelegentlich auch hochlegierte Edelstähle sowie seltener Aluminium im emissionsärmeren Wolfram-Intergas-Verfahren (WIG). Dies erfolgte zunächst noch ohne Absaugungen oder adäquaten Atemschutz.
Zum Zeitpunkt der Begutachtung arbeitete er weiterhin regelmäßig an Schweißarbeitsplätzen – unter anderem über Zeitarbeitsfirmen. Laut Präventionsdienst wurde über 18.000 Stunden unter „extremen“ Bedingungen geschweißt, wobei hier überwiegend die Tätigkeit in Waggons berücksichtigt wurde. Daraus wurde eine kumulative Belastung in Höhe von über 300 mg/m3 x Jahre (Schweißrauch-Jahre) unter extremen Bedingungen abgeleitet.
Neben Eisenoxid-Verbindungen war der Versicherte auch atemwegsreizenden, chemisch-irritativen Schweißrauchkomponenten wie Chrom(VI)-Verbindungen ausgesetzt. Zusätzlich kam es bei Reinigungsarbeiten zum Kontakt mit Lösemitteln und weiteren atemwegsreizenden Stoffen. Kurzzeitige Strahlarbeiten mit Sand und Glas führten außerdem zu einer geringen Exposition gegenüber Quarzstäuben.
Der Versicherte berichtete über langjährige Atemnot bei Tätigkeiten mit hoher Schweißrauchbelastung. Vor etwa drei Jahren habe sich die Luftnot bei körperlicher Belastung verstärkt, woraufhin er einen Lungenfacharzt konsultierte.
Zum Zeitpunkt der Begutachtung bestanden weiterhin Atemwegsbeschwerden trotz der Einnahme atemwegserweiternder Medikamente. Die Lungenfunktionsuntersuchung ergab eine nicht reversible, mittelschwere obstruktive Ventilationsstörung. Eine restriktive Ventilationsstörung oder eine Diffusionsstörung lagen nicht vor. Bei der körperlichen Untersuchung fiel lediglich ein leicht abgeschwächtes Atemgeräusch auf. Hinweise auf Sensibilisierungen gegenüber Umwelt- oder Berufsallergenen fanden sich weder im Haut-Pricktest noch bei der Blutuntersuchung. Der Versicherte gab an, seit dem jungen Erwachsenenalter etwa zehn Zigaretten täglich geraucht zu haben.
Die CT-Bilder der Lunge zeigten neben einem mäßig ausgeprägten Lungenemphysem sogenannte Noduli – kleine, knotige Verdichtungen – vor allem in den unteren und mittleren Lungenabschnitten. Differenzialdiagnostisch kamen anhand der Bildgebung neben einer Pneumokoniose auch eine Autoimmunerkrankung, die sogenannten Sarkoidose, oder eine Hypersensitivitäts-Pneumonitis (Exogen Allergische Alveolitis) in Betracht. Eigenständige Vernarbungen der Lungenzwischenräume, wie sie bei Lungenfibrosen typischerweise vorliegen, ließen sich nicht abgrenzen. Typische radiologische Kriterien einer Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) wurden nicht diagnostiziert. Es konnten zudem keine Veränderungen festgestellt werden, die auf Lungenkrebs hindeuten.
Im Rahmen der klinischen Abklärung waren bereits im Vorfeld eine Lungenspülung sowie eine Gewebeentnahme erfolgt. Die zytologische Untersuchung der Spülflüssigkeit wies eisenspeichernde Gewebemakrophagen nach. In der Gewebeprobe eines lungennahen Lymphknotens konnten Fremdstoff-Depots nachgewiesen werden. Für eine feingewebliche Beurteilung von Lungengewebe hinsichtlich des Vorliegens einer Siderofibrose war das Probenmaterial jedoch nicht ausreichend.
Es wurde zudem Ferritin im Blut bestimmt. Hierbei handelt es sich um einen Proteinkomplex, der zur Speicherung von Eisen dient. Der Blutwert des Versicherten lag etwa vierfach über dem Normwert, was auf eine Eisenüberladung des Organismus hinweisen kann. Erhöhte Ferritin-Werte wurden bei Schweißern wiederholt beobachtet (Casjens et al., 2014). Es handelt sich jedoch um einen unspezifischen Parameter, der unter anderem auch im Rahmen von Entzündungsprozessen erhöht sein kann. Ohne klinische Hinweise auf einen akuten Infekt war dieser Befund aber als Indiz für eine exogene Eisenüberladung zu interpretieren.
Im Gutachten sollte beurteilt werden, ob eine Siderofibrose (BK-Nr. 4115), eine Silikose (BK-Nr. 4101) oder eine obstruktive Atemwegserkrankung durch chemisch irritative oder toxische Stoffe (BK-Nr. 4302) für die Lungenfunktionseinschränkungen ursächlich sind. Beim Versicherten lagen auf Basis der präventionsdienstlichen Ermittlungen im beruflichen Kontext Gefährdungen überwiegend durch Schweißrauche und qualitativ auch durch Quarzstaub vor. Insofern stand im Mittelpunkt der Bewertung, welche medizinischen Befunde zu erheben waren.
Eine Einwirkung durch Quarzstäube lag nur in sehr geringem Umfang vor und in der Bildgebung zeigten sich keine Silikose-typischen Veränderungen anhand der einschlägigen Kriterien. Das Vorliegen einer BK-Nr. 4101 war damit medizinisch nicht zu begründen.
Die Lungenfunktionsuntersuchung bestätigte eindeutig eine obstruktive Ventilationsstörung, die im Gesamtbild einem COPD-Phänotyp entsprach. Ein Krankheitsbild gemäß BK-Nr. 4302 “Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen“ wurde als gesichert angesehen.
Das fortgesetzte Tabakrauchen stellt hierbei einen bedeutenden außerberuflichen Risikofaktor dar. Allerdings war der Versicherte während seines Berufslebens – insbesondere im Rahmen der Schweißertätigkeit – regelmäßig sehr hoch gegenüber chemischirritativen Stoffen exponiert. Bei fehlenden alternativen Auslösern wurden Brückenbefunde wie eisenbeladene Makrophagen in der Lungenspülung diagnostiziert, was auf eine die Reinigungskapazität der Lunge überschreitende Partikel-Einwirkung hindeuten kann. Im Rahmen der BK-Nr. 4302 spricht bei einem COPD-Phänotyp auch ein Auftreten erst gegen Ende des Berufslebens nicht unbedingt gegen eine berufliche Verursachung.
Insgesamt war ein wesentlicher Anteil der beruflichen Exposition an der Krankheitsentstehung der COPD hinreichend wahrscheinlich. Die Anerkennung einer BK-Nr. 4302 wurde empfohlen, die Minderung der Erwerbsfähigkeit ab Erstdiagnose mit 40 Prozent eingeschätzt (DGUV 2012).
Es war außerdem zu bewerten, ob beim Versicherten eine Siderofibrose durch Schweißrauche im Sinne der BK-Nr. 4115 vorliegt. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer langjährigen und extremen Einwirkung waren gegeben. Ein histologischer Nachweis aus Gewebeproben lag nicht vor. Die Arbeitsanamnese und klinischen Befunde deuteten am ehesten auf eine Partikel- beziehungsweise Eisenüberladung hin. Fibrotische Veränderungen ließen sich radiologisch nicht sicher nachweisen. Insgesamt kann eine Siderose der Lunge durch Schweißrauche in Betracht kommen, wobei die klassische Befundkonstellation nicht erfüllt war.
Da eine Siderofibrose bei fehlender Fibrosierung nicht vorlag und der Siderose allein – nach aktuellem medizinisch-wissenschaftlichem Kenntnisstand – kein Krankheitswert zugesprochen wird, und sie auch im Sinne der Legaldefinition nicht unter die BK-Nr. 4115 fällt, konnte die Anerkennung einer BK-Nr. 4115 nicht empfohlen werden (Ärztlicher Sachverständigenbeirat 2006).
Die Begutachtung berufsbedingter Lungenerkrankungen infolge von Schweißrauchexposition ist oft komplex und erfordert fachübergreifende Expertise. Neben der medizinischen Diagnostik sind arbeitstechnische Erhebungen, Anamnese, klinische Befunde, Bildgebung sowie die Berücksichtigung außerberuflicher Einflüsse einzubeziehen. Der Fall zeigt auch, dass im Rahmen einer COPD – trotz des Vorliegens gewichtiger konkurrierender Faktoren wie langjährigem Tabakrauchen – eine Schweißrauchexposition unter sehr ungünstigen arbeitshygienischen Bedingungen wesentlich zur Krankheitsentstehung beitragen kann.
Mit Blick auf die BK-Nr. 4115 verdeutlicht der Fall, dass die differenzierte medizinische Diagnosestellung bei Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen von großer Bedeutung ist. Am Beispiel der Siderofibrose wird auch erkennbar, wie Verfahren in Berufskrankheiten-Verdachtsfällen durch Kooperationen zwischen Wissenschaft und Unfallversicherungsträgern weiterentwickelt werden können. Offene Fragen zu BK-Tatbeständen lassen sich so durch interdisziplinäre Expertise auf den Gebieten der Arbeitsmedizin und Arbeitstechnik wissenschaftlich adressieren.
Prof. Dr. Thomas Brüning
Dr. Christian Eisenhawer
Prof. Dr. Julia Krabbe
Nelly Otte
Dr. Simon Weidhaas
IPA
Ärztlicher Sachverständigenbeirat. Wissenschaftliche Begründung zur Berufskrankheit Nummer 4115 „Lungenfibrose durch extreme und langjährige Einwirkung von Schweißrauchen und Schweißgasen – (Siderofibrose)“. BaBl 2006; 35–49.
Ärztlicher Sachverständigenbeirat. Merkblatt zur Berufskrankheit 4115. Lungenfibrose durch extreme und langjährige Einwirkungen von Schweißrauchen und Schweißgasen - (Siderofibrose). In: GmBl 2010; 108 ff.
BSG. AZ B 2 U 2021 7/19 R. - zitiert nach de juris
Buerke U, Schneider J, Rösler J, Woitowitz H-J (2002): Interstitial pulmonary fibrosis after severe exposure to welding fumes. Am J Ind Med 2002; 41: 259–268. DOI: 10.1002/ajim.10055.
Casjens S, Henry J, Rihs HP, Lehnert M, Raulf-Heimsoth M, Welge, P et al. Influence of welding fume on systemic iron status. Ann Occup Hygiene 2014; 58: 1143–1154. DOI: 10.1093/annhyg/meu068.
Cosgrove MP. Pulmonary fibrosis and exposure to steel welding fume. Occup Med 2015; 65: 706–712. DOI: 10.1093/occmed/kqv093.
DGUV (Hrsg.). Empfehlung für die Begutachtung der Berufskrankheiten der Nummern 1315 (ohne Alveolitis), 4301 und 4302 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) ; Reichenhaller Empfehlung. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. 2012; 1., neue Ausg. Berlin: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung.
Pucknat D, Pucknat U, Rose B, Forchert M, Goergens A, Weidhaas S et al. Beurteilung der Lungenfibrose durch extreme und langjährige Einwirkung von Schweißrauchen (Siderofibrose) – Berufskrankheit Nr. 4115. Technische Aspekte – Einwirkung von Schweißrauchen. ASU 2024; 10–15.
Weidhaas S, Zschiesche W, Westphal G, Eisenhawer C, Pucknat D, Goergens A et al. Lungenfibrose durch extreme und langjährige Einwirkung von Schweißrauchen (Siderofibrose) – BK Nr. 4115. Diagnostik der Siderofibrose. Atemw.-Lungenkrkh 2025; 51: 192–199.