Auch heute staubt es noch an vielen Arbeitsplätzen – mit potenziell gesundheitlichen Folgen für die Beschäftigten. Welche Stäube an Arbeitsplätzen auftreten, welche gesundheitlichen Auswirkungen sie haben können, und welche Schutzmaßnahmen greifen, waren Themen des diesjährigen Arbeitsmedizinischen Kolloquiums der DGUV im Rahmen der 65. Jahrestagung der DGAUM in Wuppertal.
Rund 1000 Teilnehmende besuchten die 65. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM), die in diesem Jahr an der Bergischen Universität in Wuppertal stattfand. Künstliche Intelligenz in der Arbeitsmedizin, Arbeiten mit Krankheiten sowie die sektorverbindende Versorgung zählten zu den Schwerpunktthemen.
Angesichts der großen Herausforderungen im Gesundheitssystem forderte der Präsident der DGAUM, Prof. Dr. Thomas Kraus, eine bessere sektorverbindende Versorgung und Vernetzung der medizinischen Fachrichtungen. So könnten Risiken und Erkrankungen früher erkannt und behandelt werden, so dass auch Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen länger am Erwerbsleben teilnehmen können.
Das IPA war mit insgesamt 15 wissenschaftlichen Beiträgen vertreten. Das Themenspektrum reichte von der Befragung zu Muskel-Skelett-Beschwerden im Homeoffice über die Prävention von Handekzemen bei der Händedesinfektion und die Vorstellung der Interventionsstudie zur Reduzierung der Schweißrauchexposition bis hin zur Untersuchung von Biomarkerkombinationen zur Vorhersage von Krankheitsverläufen bei Pleuramesotheliomen.
Einer guten Tradition folgend fand am ersten Kongresstag das Arbeitsmedizinische Kolloquium der DGUV statt. Bis zu 500 interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer verfolgten das Kolloquium sowohl online als auch in Präsenz an der Bergischen Universität Wuppertal.
Prof. Dr. Thomas Behrens, IPA, und Dr. Anette Wahl-Wachendorf, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU), moderierten das Kolloquium und skizzierten zu Beginn die besonderen Herausforderungen an den Arbeitsschutz beim Umgang mit Stäuben.
Dr. Markus Mattenklott, Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA), führte aus, dass Staubbelastungen am Arbeitsplatz auch heute noch eine bedeutende Herausforderung bleiben. Staub sei nicht gleich Staub – vielmehr unterscheide man zwischen dem sogenannten E-Staub auch einatembarer Staub genannt und dem A-Staub, der bis in die Alveolen, den Lungenbläschen, gelangen kann. Aber auch die spezifischen Inhaltsstoffe wie Quarz oder Aluminiumverbindungen müssen bei der Bewertung der gesundheitlichen Folgen von Stäuben berücksichtigt werden. Dies erfordere eine präzise Erfassung und Bewertung, so Mattenklott. Besondere Aufmerksamkeit gelte dabei den lungengängigen Fasern wie Asbest, Carbon- oder Glasfasern, für die teils nur unzureichende Grenzwerte existieren. Hier findet ein abgestimmtes Bewertungskonzept der Unfallversicherungsträger Anwendung. Durch die neue EU-Asbestrichtlinie 2023 rücken dünne Asbestfasern und Nanofasern stärker in den Fokus – deren Kontrolle künftig KI-gestützte, teilautomatisierte Analysen erfordert.
PD Dr. Götz Westphal, IPA, vertrat Prof. Dr. Julia Krabbe, IPA, bei ihrem Vortrag zu den Wirkmechanismen und gesundheitlichen Folgen von Stäuben. Stäube sind für circa 80 Prozent aller Todesfälle im Zusammenhang mit Berufskrankheiten verantwortlich. Ein Großteil entfällt dabei auf durch Asbest verursachte Berufskrankheiten. Neben dem gesundheitlichen Leid, das durch die Exposition mit Stäuben verursacht wird, dürfen auch die Kosten für Entschädigung, Heilbehandlungen und Rehabilitation nicht außer Acht gelassen werden, führte Westphal aus.
Er ging dabei sowohl auf die Ausgangslage bei sogenannten „alten“ Stäuben – wie Asbest – als auch auf „neue“ Stäube, etwa Carbon Nanotubes ein. Die Erfahrungen in der Vergangenheit hätten gezeigt, dass Forschung und Prävention erfolgen müssen, bevor gesundheitsschädliche Auswirkungen sichtbar werden. Bei einatembaren Stäuben und alveolengängigen Stäuben können Atemwegserkrankungen, Schleimhautreizungen, Lungenfibrosen und auch Krebserkrankungen der Lungen und des Rippenfells entstehen. Ursache ist häufig, dass es nach der Inhalation zu Atemwegsentzündungen kommt, die im weiteren Verlauf zu Einschränkungen der Lungenfunktion führen können. Wie entzündliche Wirkungen von Stäuben nachgewiesen werden können, zeigt ein am IPA eingesetztes In-vitro-Untersuchungsmodell. Götz Westphal resümierte abschließend, dass teilweise die aktuellen Erkenntnisse zur Wirkung und zu möglichen gesundheitsschädlichen Effekten von solchen Stäuben noch unzureichend seien und deshalb weitere Forschung unbedingt notwendig ist.
Dr. Rolf Packroff von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) widmete sich in seinem Vortrag der Frage: „Advanced Materials – droht ein neues Asbest?". Forschungsvorhaben zu Nanomaterialien hätten gezeigt, dass diese keine völlig neuen, sondern bereits bekannte Gesundheitsrisiken in neuer Form bergen – insbesondere durch kritische Faserstäube. Die Gefährdung hänge dabei weniger von der chemischen Zusammensetzung als von der Morphologie und der Beständigkeit der Partikel im Körper ab. Fasermaterialien wie Asbest verursachen nach wie vor die meisten berufsbedingten Erkrankungen, so Packroff weiter. Um vergleichbare Risiken bei neuen „Advanced Materials“ wie Carbonnanoröhrchen oder Carbonfasern zu verhindern, fordert die BAuA eine frühzeitige Risikoerkennung sowie eine Regulierung kritischer Fasermaterialien im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung REACH.
Prof. Dr. Thomas Kraus vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der RWTH Aachen stellte die neuesten Entwicklungen im Berufskrankheitenrecht zum Thema Staub vor. Am 01. April 2025 wurde die Berufskrankheiten-Verordnung unter anderem um die BK-Nr. 4117 „Chronische obstruktive Bronchitis einschließlich Emphysem durch Quarzstaubexposition bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis am Arbeitsplatz von mindestens zwei Quarz-Feinstaubjahren [(mg/m3) x Jahre] oberhalb der Konzentration von 0,1 mg/m3“ erweitert.
Betroffen sind insbesondere Erzbergleute (einschließlich Uranerzbergbau) sowie zum Beispiel Versicherte im Tunnelbau, als Ofenmaurer, Former in der Metallindustrie und Personen, die bei der Steingewinnung und -bearbeitung oder in Dentallabors beschäftigt sind, verdeutlichte Kraus.
Mit der Einführung der BK-Nr. 4117 kann nun auch eine COPD nicht nur für Beschäftigte in Steinbergwerken anerkannt werden, sondern auch für weitere Berufe. Im weiteren Verlauf seines Vortrags ging Thomas Kraus auf die verschiedenen Krankheitsbilder ein, die durch Stäube verursacht werden können. Dazu gehören die Mischstaubpneumokoniose, die Silikose, die Silikotuberkulose und der Lungenkrebs. Für den begutachtenden Arzt oder die Ärztin stellt sich in der Praxis nun die Frage, bei welchem Krankheitsbild welche der drei Berufskrankheiten – BK-Nr. 4101, BK-Nr. 4111 oder BK-Nr. 4117 – zur Anerkennung vorgeschlagen werden sollte.
Norbert Kluger, BG BAU, berichtete aus der Praxis zum Umgang mit Staub. Gerade auch beim Bauen können hohe Staubbelastungen auftreten – zum Beispiel bei Abbrucharbeiten, Umbaumaßnahmen oder Putzarbeiten. Auch beim Bauen im Bestand können besonders gefährliche Stäube wie Quarz-, Asbest- und Faserstäube freigesetzt werden. Norbert Kluger führte weiter aus, dass Grenzwerte sowohl für den A-Staub als auch den E-Staub in der Praxis nur dann eingehalten werden können, wenn wirksame technische und organisatorische Schutzmaßnahmen eingesetzt werden. Im Verlauf seines Vortrags zeigte er, dass es bereits heute für viele Tätigkeiten technische Lösungen oder Verfahren gib, mit denen Staubbelastungen effektiv vermindert werden können. Eine Basisausrüstung ist dabei unerlässlich. Sie besteht aus Geräten mit wirksamer Stauberfassung, Bau-Entstauber, Luftreiniger sowie der Abschottung der betroffenen Bereiche. Anschaulich zeigte er in einem Kurzvideo, wie bereits einfache Maßnahmen – zum Beispiel das Einsaugen von Staub statt Kehren – zu einer deutlichen Minderung der Staubbelastung führen. Leider sind solche Praxislösungen bislang wenig bekannt und werden nur von wenigen Betrieben eingesetzt. Gemeinsam mit allen Betroffenen wurden deshalb zahlreiche Handlungshilfen und Branchenlösungen zur Staubvermeidung erarbeitet, um hier Abhilfe zu schaffen.
Alle Vorträge sind unter: https://www.dguv.de/de/praevention/kampagnen/arbmed_kolloquium/index.jsp abrufbar.
Im Jahr 2026 findet die 66. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGAUM vom 18. bis 21. März in München-Großhadern mit den Schwerpunkten: Gewalt am Arbeitsplatz; Mutterschutz; Digitale Anwendungen in der Arbeitsmedizin statt. Thema des arbeitsmedizinischen Kolloquiums wird die neue DGUV Vorschrift 2 in der Praxis sein.