In medizinischen Einrichtungen erleben viele Beschäftigte Gewalt oder Aggression als belastenden Bestandteil ihres Arbeitsalltags. Ob in der Notaufnahme, auf psychiatrischen Stationen, in der Pflege oder im sozialen Bereich: Die Spannbreite reicht von verbalen Übergriffen bis hin zu körperlicher Gewalt, in manchen Fällen sogar mit schweren Folgen für die Gesundheit der Betroffenen. Hinzu kommen belastende Rahmenbedingungen wie Personalmangel, übervolle Stationen oder fehlende Rückzugsräume, die Mitarbeitende überfordern und Konflikte verschärfen können.
Führungskräfte im Gesundheitswesen tragen daher eine besondere Verantwortung für die Sicherheit ihrer Mitarbeitenden. Das bedeutet: Risiken durch Gewalt realistisch einzuschätzen, präventive Strukturen zu schaffen und Betroffene nach Vorfällen systematisch zu unterstützen. Mehr dazu lesen Sie im Leitfaden für Führungskräfte: Gewaltprävention in sieben Schritten.
Wichtig zu wissen: Dank rechtlicher Grundlagen, bewährter Praxisbeispiele und passgenauer Unterstützungsangebote gibt es vielfältige Möglichkeiten, ein sicheres Arbeitsumfeld im Gesundheitswesen zu schaffen.
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Welche Gewaltformen können im Gesundheitswesen auftreten?
Gewalt im Gesundheitswesen äußert sich auf vielfältige Weise – oft unterschwellig, manchmal plötzlich und mit schwerwiegenden Folgen. Zu den häufigsten Erscheinungsformen zählen:
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verbale Aggression: lautstarke Beschwerden, Drohungen mit Anzeige oder Rache, herabsetzende oder diskriminierende Bemerkungen durch Patienten und Patientinnen, Angehörige oder Kollegen und Kolleginnen
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physische Gewalt: Kratzen, Beißen, Spucken, Stoßen, Schlagen – insbesondere in der Notaufnahme, Psychiatrie oder Pflege, häufig ausgelöst durch Verwirrtheit, Drogenkonsum oder lange Wartezeiten
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sexualisierte Gewalt: ungewollte Berührungen durch zu Pflegende oder Patienten und Patientinnen, anzügliche Kommentare, entblößtes Auftreten oder wiederholte Annäherungen, exhibitionistische Handlungen und sexuelle Übergriffe / Nötigung.
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psychische Gewalt: Einschüchterung durch dominantes Verhalten, Manipulation, Mobbing im Kollegium oder gezielte Schuldzuweisungen bei Fehlern
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Wie kann Gewalt im Gesundheitswesen verhindert werden?
Manche Mitarbeitende im Gesundheitswesen nehmen Gewalt aus Scham oder Resignation hin. Als Führungskräfte können und müssen Sie dem aktiv entgegenwirken – mit einer klaren Haltung und geeigneten Strukturen.
Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und die Unfallkassen bieten Ihnen fundierte Unterstützung zu folgenden Themenaspekten:
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Gefahren erkennen und bewerten: Ein zentraler Ansatzpunkt ist die Gefährdungsbeurteilung (siehe hierzu auch Leitfaden für Führungskräfte). Mit ihr kommen Sie als Arbeitgebende nicht nur Ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach, sondern verfügen auch über ein wirksames Werkzeug, um Gewaltpotenziale in Ihrem Arbeitsumfeld zu erkennen und zu bewerten. Einen Handlungsleitfaden mit praktischen Tipps speziell für Einrichtungen enthält die BGW-Broschüre: Gefährdungsbeurteilung in Kliniken - Ein Handlungsleitfaden mit Praxistipps.
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Strukturen schaffen: Eine Handlungshilfe für Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen zum Thema „Prävention von Gewalt und Aggression im Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege“ finden Sie in der DGUV Information 207-025. Die Unfallversicherungsträger bieten versicherten Unternehmen zudem Qualifizierungs- und Beratungsangebote zum Umgang mit Gewalt und Aggression.
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Vorbereitung auf den Ernstfall: Ein durchdachtes Notfallkonzept hilft, im Ernstfall handlungsfähig zu bleiben. Die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) sollte Teil dieses Konzepts sein. Informationen hierzu bietet die DGUV Information 206-017 "Gut vorbereitet für den Ernstfall! Standards im Umgang mit traumatischen Ereignissen im Betrieb".
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Best Practices aus dem Gesundheitswesen
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Charité Berlin: Mit Deeskalationstrainings und Kommunikationsstrategien werden dort Notfallsituationen frühzeitig erkannt und entschärft. Einzelheiten sind nachzulesen im Führungskräftemagazin top eins 1/2024, S. 16: Artikel "Gewalt in der Notfallmedizin".
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Klinikum Worms: Das Klinikum hat nach eigenen Erfahrungen ein umfassendes Konzept zum Schutz vor Gewalt entwickelt. Dieses Engagement wurde mit dem Präventionspreis der Unfallkasse Rheinland-Pfalz ausgezeichnet.
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Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) e.V.: Die KGNW hat einen Leitfaden zur Prävention von Gewalt im Krankenhausumfeld als Taschenratgeber herausgegeben – mit Fokus auf Führung, Kommunikation und baulichen Maßnahmen.